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dem Erzgebirge und Weihnachtsterne aus
Herrnhut festlich für alle Spaziergänger
leuchten. 
Also entschied sich meine Familie,  sich  jedes
Jahr mit Kindern und Enkelkindern zum 2.
Advent im meist verschneiten Gebirge zu
treffen. In meinem Heimatort Dörnthal
besuchten wir nicht nur  Wehrkirche, sondern
vor allem  die Gaststätte „Braun-Mühle“. Mir
läuft das Wasser im Munde zusammen, wenn
ich an das dort angebotene typisch
erzgebirgische Essen denke. Buttermilchgetzen
in verschiedenen Variationen und das kühle
selbstgebraute Mühlenbier erfreuten mich
dort bei jedem Besuch. Die Orte Seiffen,
Annaberg, Olbernhau, Marienberg, Freiberg
und Schneeberg boten uns immer
wunderschöne Weihnachtsmärkte und
Bergparaden. Musiker in Bergmannsuniform
zogen dabei durch die Straßen und spielten auf
ihren Instrumenten  die bekannten Erzgebirgs-
Klassiker wie „Wenn es Raachermannl nabelt“,
„Dr Türmer hot schu angezündt“ und vor allem
„Wenn’s draußen üme Haisel wattert und
stürmt, is drinne im Stübel schie warm“.
 
„Griene Glitscher“ (erzgebirgische
Kartoffelpuffer) gehörten für mich auf den
Weihnachtsmärkten neben dem Glühwein
immer zu den bevorzugten Naschereien.
Stollen aus Annaberg  nehme  ich nicht nur für
meine Familie mit nach Berlin,  sondern auch
für einige Hausbewohner. Die auf den
Weihnachtsmärkten vernommenen
heimatlichen Mundarten der Besucher
erfreuen immer meine Ohren. Diese
Atmosphäre strahlt Heimat und winterliche
Wärme  aus.  Sie hat  etwas, das Berlin eben
nicht hat. 
Das Heiligabend-Gericht 
Bei uns gab es in meiner Kindheit zum Mittag
süß-saure Linsen mit Gänseklein und zum
Abend geräucherte Bratwurst vom eigenen
Schweineschlachtfest, Sauerkraut und
Salzkartoffeln.  Als Kompott  wurden  süß-sauer
eingelegte Kürbisstücke gereicht. Alle Tiere
fütterte mein Vater nach dem Abendessen mit
Brotscheiben  und  Salz, streichelte sie, sprach

zu ihnen und wünschte ihnen alles Gute.  Mit
dieser festlichen Gabe  sollten die Tiere vor
Krankheiten geschützt werden. In anderen
Gegenden des Erzgebirges wurden Zwiebeln in
den Stall gehangen, um das Vieh vor
Krankheiten zu schützen. In einigen Gegenden
glaubten die Bauern, dass das Vieh um
Mitternacht des  Heiligen Abend als Dank für
das besondere Mahl redete. Die Bauern
lauschten  um diese Zeit  an der Stalltür und
glaubten eine „menschliche“ Stimme zu hören,
die sich für das besondere Mahl bedankte. 
In vielen Familien stand am Abend das
„Neunerlei“, das sogenannte „erzgebargsche
Neinerlaa“, mit unterschiedlicher
Zusammensetzung auf dem Tisch. Jede Speise
hat dabei seine Bedeutung. 
- Bratwurst sorgt dafür, „doß m'r Harzhaftigkeit 
  un Kraft bewohrt“ 
- ein Stück Gans soll uns „Glick bringe“   
-  Sauerkraut  „brengt de  Frehlickeit  in unner 
Labn“ 
-  Linsen  isst man,  „damit  ens klaane Gald net 
ausgieht“ 
-  Klöße  muss man essen, damit  „es net an' 
grußen Gald fahlt“ 
- Kompott (meist Apfelmus)  ist dafür da, „doß 
m'r sich 's ganze Laabn freie kah“ 
-  Sellerie sorgt dafür  „doß  dr  eheliche Ohmd 
gut gelingt  und viele Kinner geborn warn“
-  Rote Rüben  bringen „Freid,  rute Backen  und 
gutes Blut“ 
-  eingebrockte  Semmelmilch  muss  „mer  fir de 
Schenheit“ assn. 
Es war Bedingung, von jeder Speise mindestens
einen Löffel voll zu essen.   
In einigen Familien gab es auch Fisch am Heilig
Abend, meist Karpfen. Der Fisch ist ein
christliches Symbol. Die ersten Christen malten
einen Fisch an die Haustür, um anderen
Christen deutlich zu machen, dass sie hier
willkommen sind. Und das Willkommensein
war schließlich zu Weihnachten eine
Angelegenheit des Herzens.
Das Heiligabend-Lich
Weihnachten wird oft als Sieg des Lichtes über
die Finsternis erklärt. Während des Essens
wurde deshalb bei uns  ein besonders schönes


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