Lesecouch Lothar Hoffmann

Ein Gespenst geht um in der Welt.


Die künstliche Intelligenz


Dazu ein Lesecouch - Beitrag von Lothar Hoffmann


Im Yin und Yang unseres Daseins

 

Wussten Sie, dass es manchmal ganz schön schwer sein kann an die Intelligenz der Menschheit zu glauben? - Besonders wenn es sich um Schwarmintelligenz handelt. - Da sind mitunter Zweifel angebracht, die wohl auch in den Redaktionsstuben und Webagenturen unserer Textdesigner und Meinungsverwalter gehegt werden. Und so ist es kaum verwunderlich, dass im Yin und Yang unseres Daseins der Verlust an natürlicher Intelligenz durch eine inflationäre Präsenz künstlicher Intelligenzen wett zu machen versucht wird. Zumindest in Beiträgen, Kommentaren und sonstigen Einlassungen soll ein gefühltes Intelligenzen-Gleichgewicht Behaglichkeit ausstrahlen. Eigenartig ist, dass sich die Journalpoeten dabei nicht auf eine Verdenglischung der angloamerikanischen „artificial intelligence“, kurz AI, kaprizieren, sondern uns Medienkonsumenten die deutschsprachige „künstliche Intelligenz“ offerieren. Sind nun infolge genderkonformer Wortkaskaden Zeit oder Platz knapp, wird auch das Kürzel KI in unsere Hör- und Sehgewohnheiten geschleust. Und das mit einer Vehemenz, die gern einmal übers Ziel hinausschießt. - Wo früher schnöde Computersoftware anzutreffen war, hat über Nacht die „künstliche Intelligenz“ Einzug gehalten. Der Saugroboter verteilt ab sofort unseren Dreck betont intelligent, wenn auch etwas künstelnd. 

Doch dann, dann wächst irgendwo so eine Ansammlung von Computerprogrammen doch über sich selbst hinaus und verleiht sich die Möglichkeit, auf Grundlage bereits abgespeicherter Daten 

Schlussfolgerungen zu ziehen, sich diese zu merken und sie zu artikulieren. Da wird es schon intelligenter ... und von gestern auf heute durchspült ein englisches ChatGPT alle Informationskanäle und lässt den deutschsprachigen Begriff „künstliche Intelligenz“ als die Ausnahme von der Regel in der Neuwortflut zurück.

Das ganze Ding – ChatGPT - ist auf Wörter und Texte abgerichtet und kann für den Verfasser von letzteren so hilfreich sein, wie etwa Google für den Hobbykoch. Das Teil gehört zur Gilde der so genannten Chatbots. Das sind sozusagen Plauderroboter, die mit uns ohne Weiteres in ein schriftliches Gespräch kommen, uns verstehen und z. B. wohl formuliert auf unsere Fragen antworten.

Das Wissen von ChatGPT kommt, wie kann es auch anders sein, aus dem allgegenwärtigen weltweiten Netz, mit dessen Inhalten der Roboter bis zu einem bestimmten Stichtag befüllt und trainiert wurde. Ohne den Inhalt des WeltWeitWeb wäre dieses ChatGPT vermutlich nur ein Praxisbeweis für sprachwissenschaftlich-mathematische Theorien.

 

Einmal ein Beispiel:

Ein inneres Bedürfnis des sich artikulierenden Nichtroboters aus Fleisch und Blut besteht ja, wie erwähnt, darin, sein intellektuelles Erscheinungsbild durch die Verwendung wissenschaftlich behauchter Fremd- und Fachausdrücke aufzupolieren. So auch mit dem schönen Begriff „Resilienz“, der soviel wie Widerstandskraft (mehr psychischer Art) bedeutet. Diese „Resilienz“ zirkulierte in Vorkoronazeiten nur in Mediziner- und Virologenkreisen. Dann mutierte sie aber, durch tausende 

Expertenrunden, Interviews und Kommentare befeuert, in sprachlichen und schriftlichen Äußerungen zu einem unverzichtbaren Indiz für geistige Autorenkompetenz. Ist das jetzt unbegründete Polemik? Was sagt wohl unser Plauschparter ChatGPT dazu?

 

Frage an ChatGPT:

Wie oft wurde das Wort Resilienz im deutschen Sprachraum 2018 verwendet?

Anwort von ChatGPT:

Laut der Wortdatenbank des Digitalen Wörterbuchs der deutschen Sprache (DWDS) wurde das Wort "Resilienz" im Jahr 2018 insgesamt 5.653 Mal im deutschen Sprachraum verwendet. Dabei handelt es sich um eine Schätzung, die auf der Analyse von Texten aus verschiedenen Quellen wie Zeitungen, Büchern und anderen Veröffentlichungen basiert …

Frage an ChatGPT :

Wie oft wurde das Wort Resilienz im deutschen Sprachraum 2021 verwendet?

Anwort vonChatGPT:

Laut der Wortdatenbank des Digitalen Wörterbuchs der deutschen Sprache (DWDS) wurde das Wort "Resilienz" im Jahr 2021 insgesamt 10.634 Mal im deutschen Sprachraum verwendet ...

Schon eine ganze Menge mehr.

Für das Jahr 2022 wäre bestimmt ein noch stärkeres Resilienzaufkommen zu erwarten, aber leider gibt es dann keine Zahlen mehr, da sein „Wissensstand nur bis zum Jahr 2021 reicht“, teilt der digitale Gesprächspartner mit.

 

Es ist schon bemerkenswert, was ein paar in Schwung gebrachte Siliziumkristalle vermögen, wenn sie den Odem des menschlichen Genius eingehaucht bekommen. - Und das war nur eine kleine Probe der wirklich 

ungeheuren Leistung, die uns NOCH kostenfrei auf die Bildschirme flattert. Aber Alexa, Siri und Co stehen schon in den Startlöchern. Wundervoll, sich dann mit einem Partner auszutauschen, den man einfach abschalten kann, wenn er nervt. - Ein Traum wird wahr!

 

Die Ergebnisse und Antworten dieser Intelligenzen werden wohl auch zunehmend als Entscheidungshilfen herangezogen. Beunruhigend aber, wenn dann die Maschinen selbst Urteile fällen. Das, und auch urheberrechtliche Kollisionen sind wohl noch für abendfüllende Debatten gut.

Aber keine Frage: In Zukunft werden viele Beiträge, Aufsätze, Reden und Inhalte jeder Art von Chatbots verfasst. Diese landen oder bleiben dann natürlicherweise erneut im Netz der Netze. Die nächsten und folgenden Aktualisierungsrunden der Roboter beziehen diese Inhalte dann neuerlich mit ein. Und so entsteht im Laufe der Zeit unweigerlich ein Großteil „neuer Wein in alten Schläuchen“ (Matthäus 9,17). - Und das könnte dann eventuell die Chance bergen, dass die menschliche Intelligenz gegenüber der künstlichen Intelligenz im Yin und Yang unseres Daseins doch wieder ein paar Punkte gut macht.


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